Urteil des Finanzgerichts Hamburg (FG Hamburg) vom 16. Februar 2023, Aktenzeichen 6 K 239/21
Umsatzsteuerbarkeit der Leistungen eines Fitnessstudios während der Corona bedingten Schließungszeit
Streitig ist, ob es sich bei den Mitgliedsbeiträgen für ein Fitnessstudio während der Corona-Schließzeit um umsatzsteuerbare Leistungen handelt.
Lesen Sie in diesem Blog:
- Umsatzsteuerbarkeit der Leistungen eines Fitnessstudios während der Corona bedingten Schließungszeit
- In dem Urteil des Finanzgerichts Hamburg wurde festgestellt:
- Umsatzsteuer – Keine Leistungen bei geschlossenem Studio
- Kein Leistungsaustausch durch Fortzahlung der Mitgliedsbeiträge oder Ersatzleistungen
- Revision anhängig BFH XI R 5/23
- Achtung: das FG Schleswig-Holstein – 16.11.22, 4 K 41/22, EFG 23, 364; Rev. BFH XI R 36/22
- Vorsicht geboten
- Mein Fazit:
In dem Urteil des Finanzgerichts Hamburg wurde festgestellt:
- Leistungsabsenz bei Studio-Schließung: Wenn ein Fitnessstudio geschlossen ist, gibt es keine erbrachte Leistung seitens des Betreibers.
- Kein Leistungsaustausch durch Beitragsfortzahlung oder Ersatzleistungen: Die Fortführung der Mitgliedsbeitragszahlungen sowie die Ersatzleistungen stellen keinen Leistungsaustausch dar.
- Vorhersehbare Schließung und Anzahlung: Falls die Schließung zum Zeitpunkt der Bezahlung nicht vorhersehbar war, gilt die Bezahlung als Anzahlung.
Umsatzsteuer – Keine Leistungen bei geschlossenem Studio
Das Gericht stellte fest, dass keine Leistung des Fitnessstudiobetreibers vorliegt, wenn das Studio geschlossen ist.
Die monatlichen Mitgliedsbeiträge, die als Gegenleistung für die monatliche Erbringung der Leistungen des Fitnessstudiobetreibers gezahlt werden, konnten während der Schließungszeit aufgrund der Corona-Verordnung schließlich nicht erbracht werden.
Kein Leistungsaustausch durch Fortzahlung der Mitgliedsbeiträge oder Ersatzleistungen
Die Fortzahlung der Mitgliedsbeiträge und die von dem Fitnessstudio angebotenen Ersatzleistungen konnten ebenfalls keinen Leistungsaustausch begründen.
Das Gericht wies darauf hin, dass die Weiterzahlung der Mitgliedsbeiträge mangels Erkennbarkeit eines eindeutigen Rechtsbindungswillens aus dem objektiven Empfängerhorizont nicht als konkludente Annahmehandlung der angebotenen Ersatzleistungen durch die Mitglieder angesehen werden kann.
Revision anhängig BFH XI R 5/23
Noch ist es zu früh, die Akten zu schließen – denn auch hier ist die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Achtung: das FG Schleswig-Holstein – 16.11.22, 4 K 41/22, EFG 23, 364; Rev. BFH XI R 36/22
Das FG Schleswig-Holstein sah das anders und hatte argumentiert, dass die freiwillige Fortzahlung von Mitgliedsbeiträgen in einem umsatzsteuerlich relevanten Zusammenhang mit den im Rahmen des Dauerschuldverhältnisses erbrachten Leistungen stehe.
Vorsicht geboten
Aus umsatzsteuerlicher Sicht ist daher Vorsicht geboten.
Insbesondere in Fällen, in denen die Vertragsparteien eine Verlängerung der Mitgliedschaft um die durch die Corona-Pandemie bedingten Schließzeiten vereinbaren.
Denn auch das FG Niedersachsen (31.5.23, 5 K 59/22) ist hier zu der Überzeugung gelangt, dass dafür während dieser Schließzeiten vereinnahmte Mitgliedsbeiträge eines Fitnessstudios als Vorauszahlung der Umsatzsteuer unterliegen.
Begründung des FG Niedersachsen:
Wenn die Vertragspartner eine Verlängerung der Mitgliedschaft vereinbaren, um die durch die Corona-Pandemie verursachten Schließzeiten auszugleichen, werden die in dieser Zeit eingezogenen Mitgliedsbeiträge eines Fitnessstudios als Vorauszahlung der Umsatzsteuer betrachtet.
Die Zustimmung zum Angebot der Verlängerung kann stillschweigend durch die Fortführung der Beitragszahlungen erfolgen, selbst ohne eine ausdrückliche Erklärung gegenüber dem Anbieter.
Eine auf diese Weise vereinbarte Vertragsverlängerung wird nicht aufgehoben, wenn später ein neues Angebot zur Vertragsänderung gemacht wird, dessen Annahme von der Verwendung eines bestimmten Formulars abhängig ist.
Mein Fazit:
Es wird erwartet, dass der Bundesfinanzhof (BFH) die rechtlichen Gegebenheiten in den laufenden Revisionsverfahren umfassend beleuchten wird.
Diese Thematik dürfte auch für ähnliche behördlich veranlasste Schließungen von Fitness- und Sportstudios sowie anderen Einrichtungen und für zukünftige pandemiebedingte Schließungen von Bedeutung sein.
Meine Empfehlung: Bis zum Abschluss der Revisionsverfahren sollten in vergleichbaren Fällen betroffene Umsatzsteuerbescheide verfahrensrechtlich unbedingt offen gehalten werden.